Anita Gratzer
Nach einer Kürschner- und einer Fotografenlehre studierte Anita Gratzer an der Kunstuniversität in Linz unter Prof. Dr.Herbert Lachmayr und Prof. Dr.Thomas Macho.
Die ersten Auslandstipendien des österreichischen Bundesministeriums erhielt sie noch während ihres Studiums für Krakau und Paris. Danach zahlreiche Förderungen und Preise wie das Staatsstipendium der Republik Österreich für Fotografie.
Nach einem zweijährigen Lebensaufenthalt in New York und einer längeren Kinderkarenz begann sie 2015 sich wieder vollständig ihrer künstlerischen Produktion zu widmen.
Seit dieser Zeit war sie zu Gast in China, Korea, Iran, Estland, Litauen und mehrfach in Japan und der Schweiz. Diese meist monatelangen Arbeitsaufenthalte führten zu Einzelausstellungen in Shanghai, Daegu, Solothurn, Teheran, Tallin, Tokyo und seit 2019 auch zu einem eigenem Studio und Wohnsitz in Japan.
www.anita-gratzer.net
Marque de Sorcière - Das Zeichen der Hexe
Das Projekt fand im Wallis statt, wo um 1430 die ersten Hexenverfolgungen stattfanden, als Katastrophen, Krankheiten und mysteriöse Todesfälle nach Erklärungen verlangten. Dabei spielten Gerüchte bei der Hexenverfolgung eine wesentliche Rolle, als die Anschuldigungen meist aus der Bevölkerung kamen. Menschen, die sich seltsam verhielten oder über besondere Heilkenntnisse verfügten, gerieten ins Visier. Ein Fleck oder ein Muttermal an verschiedenen Körperteilen reichte oft aus, um als Hexenmal interpretiert zu werden, das der Teufel den Unterzeichnern des Paktes zugefügt hatte. Dieses Mal wurde von den Inquisitoren bald als ausreichender Beweis für Hexerei akzeptiert, die mit dem Scheiterhaufen zu bestrafen war. Vor der Folter mussten Schutzmaßnahmen gegen die Macht des Teufels getroffen werden. Um magische Kräfte abzuwehren, wurden den Angeklagten oft die Haare geschoren, und sie mussten vor dem Verhör ein spezielles Hexenhemd (Schandkleid) anziehen, damit sich keine Magie in ihrer Kleidung verbergen konnte.
Für das Projekt Marque de Sorcière - Das Zeichen der Hexe wurden verschiedene Papierkleider entwickelt, die sich mit den Themen Flucht, Verkleidung, Täuschung und Reue beschäftigen.
01- Ignifuge d'hymnes - Der Tarnumhang entstand aus festlichen Kirchenliedern, die 1814 in Bern veröffentlicht wurden.
02- Chemise crampons / robe de pénitence - Das Bußgewand ist aus antiken Steigeisen gefertigt, die von den Schweizer Bergsteigern zur Überquerung der lokalen Gletscher verwendet wurden. Es wurde im Stockalperschloss gegenüber der Künstlerresidenz in Brig gezeigt.
03- Hikeshi Bible - Inspiriert von der Kleidung japanischer Feuerwehrleute in der Edo-Zeit, wurde dieses Gewand aus einer 150 Jahre alten schweizerischen katholischen Bibel gefertigt, um die Dämonen der Zerstörung zu bekämpfen. Die komplizierte Papierarbeit ist doppellagig und mit einem wattierten Material gefüllt, um der Hitze zu widerstehen. Heilige Bilder und kirchliche Amulette sind Accessoires, um sich vor den Hexenjägern zu verstecken.
04- Aéronaute - Ein Nomadenkostüm aus einem antiken Buch, welches auch als Unterschlupf dienen kann. Getestet während einer performance am Simplonpass wo sich das Werk auf die Passstraße bezieht, die unter Napoleon gebaut wurde, um Italien mit Frankreich zu verbinden. Die Schrift auf dem Papier fasst die finanziellen Überweisungen an die Mitglieder der Gemeinde Brig während einer bestimmten Zeit zusammen.